Scio me tibi grates inmodicas debere
Dank und Dankesgaben in spätantiker und mittelalterlicher Dichtung sowie umgebender Literatur
Danken und Dankbarkeit sind als sozio-kulturelles Phänomene tief im Menschsein verankert und bilden seit jeher eine der Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft sowie der Interaktion zwischen Gott und Mensch. Diese Universalität des Dankes führt zu einer empfundenen Selbstverständlichkeit und zu einer, zumindest mit Blick auf die Antike, nicht sehr ausgeprägten wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Dank. Gerade weil aber das Danken und die Dankbarkeit universal und fester Bestandteil menschlicher Kommunikation sind, ist es lohnenswert diese Leerstelle zu füllen und dem antiken Dankkonzept genauer nachzugehen.
In der antik-paganen Vorstellung und Praxis des Dankens spielt die Rückerstattung, Vergeltung und Gegenleistung für eine Wohltat eine bedeutende Rolle, was den lateinischen und griechischen Termini bereits dem Wortsinn nach inhärent ist (χάριν ἀποδιδόναι, gratias referre / agere) und sich auch in dem die römische Religion beschreibenden Dictum do ut des fassen lässt. Konkret äußert sich dies etwa in den institutionell verankerten jährlichen Dankreden der neuen Consuln zu Beginn ihres Amtsjahres an den Senat, bzw. an den Kaiser und den Senat oder im religiösen Bereich in supplicationes und Dankopfern an die Götter.
Insbesondere die Äußerungen Ciceros und Senecas prägen das Bild des antiken Dankverständnisses und werden in der Folgezeit auch von den christlichen Autoren rezipiert. Nach Cicero, der selbst zwei uns überlieferte Dankreden nach seiner Rückkehr aus dem Exil verfasste, zeige sich die grata recordatio im Erwähnen, Loben und Preisen der beneficia, auch wenn, sofern möglich, die remuneratio doch einen Vorrang haben soll. Seneca führt diese Entwicklung weiter und sieht der Erfüllung der Dankesschuld im gratias confiteri und im meminisse derselben, ist doch in den seltensten Fällen tatsächlich eine ebenbürtige remuneratio möglich.
Das Christentum führt im Vergleich zur paganen Danktradition zu einem Paradigmenwechsel, indem die paganen Aussagen über das Danken zwar durchaus rezipiert und oft auf die Verpflichtung der Dankbarkeit Gott gegenüber übertragen werden; das irdische Reziprokverhältnis des Dankes jedoch verliert an Bedeutung, da der Lohn für Wohltaten mehr und mehr im Himmel erwartet wird. Die Dimension des Deo gratias agere wird demgegenüber deutlich erweitert und führt zu intensiven Reflexionen über eine rechte Manifestation desselben; dass Gott keine dignae gratiae abgestattet werden können, sondern ihm höchstens in Wort und Gebet die Dankbarkeit vermittelt werden mag, ist dabei eines der wichtigsten Themen der Auseinandersetzung.
Wir wollen insbesondere Promovierende, aber auch Post-Docs und arrivierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz herzlich dazu einladen, den Dankdiskurs der spätantiken und mittelalterlichen lateinischen Dichtung sowie der umgebenden Literatur genauer auszuloten. Mögliche Themenkomplexe, die jedoch nicht als Einschränkung verstanden werden sollen, wären:
- Topik des Dankens und der Dankbarkeit
- Verhältnis von Lob und Dank
- Dank im Alltag
- Danksituationen und Verhältnis der „Dankpartner“ zueinander
- Reflexion des Paradigmenwechsels durch das christliche Dankverständnis in der Literatur
- Dank in der gottesdienstlichen Liturgie
- Reflexion und literarische Umsetzung biblischer Dankestexte Theologisch-philosophische Analysen des Dankens in der Literatur Dankesgaben
Wir erbitten Vorschläge für Beiträge (ca. 20) mit einem kurzen Abstract (max. 500 Wörter) und Anmeldungen zur Teilnahme bis zum 01.07.2022 an Alina Hund (
Wir freuen uns auf das Treffen und den gemeinsamen Austausch
Prof. Dr. Stefan Freund
Alina Hund
Dr. Katharina Pohl
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